Welche spezifischen Anforderungen an die Bildungsgestaltung nehmen Lehrende „weicher“ und „harter“ Weiterbildungsthemen wahr?*

 

Autor*innen: Susanne Wißhak & Sabine Hochholdinger 

 

Abstract

Über den Zusammenhang zwischen den Inhalten einer betrieblichen Weiterbildungsmaßnahme und deren spezifischer Gestaltung ist wenig bekannt. Beispielhafte Inhalte sind Führung, Kommunikation, Softwarekenntnisse oder Arbeitssicherheit. Laker und Powell (2011) klassifizieren diese bisher kaum kategorisierten Themen in „weiche“ und „harte“ Inhalte, wobei sie unter weichen Themen inter- und intrapersonelle Lerninhalte verstehen und unter harten Themen sachbezogene Lerninhalte. Sie gehen davon aus, dass die Unterstützung von Lern- und Transferprozessen bei weichen Themen schwieriger ist als bei harten Themen, da der Transfer herausfordernder ist und Teilnehmende eher Widerstände zeigen. Demzufolge haben Lernende bei inter- und intrapersonellen Themen wie Kommunikation oder Selbstmanagement bereits eigene Strategien, die ungern aufgegeben werden. Außerdem werden die Lehrenden nicht so leicht als ExpertInnen anerkannt wie bei harten Themen. Weiterhin werden die angenommenen Unterschiede mit dem Prinzip der Transferdistanz erklärt (Laker, 1990). Bei weichen Themen unterscheidet sich die Lernsituation stärker von den Anwendungssituationen (weiter Transfer), als bei harten Themen (naher Transfer). All dies führt laut Laker und Powell (2011) dazu, dass die verschiedenen Bildungsangebote unterschiedlich gestaltet werden müssen. Um weiten Lerntransfer zu unterstützen, müssen Lehrende weiche Themen eher teilnehmendenorientiert gestalten und mit konstruktivistischen Methoden das Ausprobieren und Reflektieren verschiedener Szenarien ermöglichen, während bei harten Themen eher die Wissensvermittlung im Fokus steht (Yelon & Ford, 1999). Für diese Annahmen sprechen auch die Befunde von Hochholdinger und Keller (2015), die die Lehransätze (Trigwell & Prosser, 2004) von Lehrenden in der betrieblichen Weiterbildung untersuchten. Die Lehrenden weicher Inhalte hatten eher lernendenorientierte Lehransätze und verwendeten mehr teilnehmendenaktivierende Methoden als Lehrende harter Inhalte. Die Untersuchung basierte auf Befunden der Hochschulforschung zu unterschiedlichen Lehransätzen von DozentInnen geisteswissenschaftlicher und naturwissenschaftlicher Hochschulfächer (Kemp, 2013; Lindblom-Ylänne et al., 2006).

Neben diesen ersten Befunden zu Lehransätzen aus der Hochschulforschung ist noch wenig darüber bekannt, ob es entsprechende Unterschiede bei den Anforderungen an die Weiterbildungsgestaltung gibt. Der vorliegende Beitrag untersucht daher, ob Lehrende weicher und harter Weiterbildungsthemen die Gestaltungsanforderungen unterschiedlich wahrnehmen. Aus den Arbeiten von Laker und Powell (2011) und Yelon und Ford (1999) wurden folgende Hypothesen abgeleitet.

Hypothese 1: Lehrende weicher Themen bewerten die Gestaltung von Interaktionen und Beziehungen, Gruppen- und Kommunikationsprozessen als wichtiger als Lehrende harter Themen.

Hypothese 2: Verglichen mit Lehrenden harter Themen finden Lehrende weicher Themen eine größere Vielfalt an Lehr-Lernmethoden wichtiger, vor allem aktivierende und offene Methoden.

Um die Forschungsfrage zu beantworten wurden 129 Lehrende weicher Themen und 61 Lehrende harter Themen mittels eines online-Fragebogens befragt. Die Lehrenden waren im Mittel 49 Jahre alt (SD = 8.98), 51% waren Frauen und 49% waren Männer.

Der Fragebogen enthielt eine offene Frage zu den Weiterbildungsinhalten der Lehrenden. Die Themen wurden in Anlehnung an Laker und Powell (2011) codiert, so dass eine Variable mit den Ausprägungen überwiegend weich und überwiegend hart vorlag. Der Fragebogen enthielt außerdem 14 Items zur Bildungsgestaltung, für die aufgrund der Literaturlage Unterschiede erwartet wurden. Die Lehrenden gaben mittels einer Likert-Skala an, inwiefern sie jeweils zustimmen, die Gestaltungsprinzipien in ihrem Arbeitsalltag zu benötigen.

Mittels einer exploratorischen Faktorenanalyse mit Varimax-Rotation wurden aus den 14 Items zunächst zwei Gestaltungsfaktoren extrahiert, die als Interaktionsmanagement und Instruktionsaktivitäten interpretiert wurden. Eine MANOVA der Faktorwerte ergab signifikante Unterschiede zwischen weichen und harten Weiterbildungsinhalten für beide Faktoren (p = .00 für Interaktionsmanagement, p = .01 für Instruktionsaktivitäten). Beide Faktoren wie auch alle Items wurden von den Lehrenden weicher Bildungsveranstaltungen als wichtiger eingeschätzt (d = .62 für Interaktionsmanagement, d = .43 für Instruktionsaktivitäten). Somit können beide Hypothesen beibehalten werden.
Die Befunde weisen zunächst darauf hin, dass es sinnvoll ist, die Vielfalt der betrieblichen Weiterbildungsthemen in weiche und harte Themen einzuteilen. Weiterhin schätzen die Lehrenden weicher und harter Themen die Art der Bildungsgestaltung hinsichtlich Interaktionen und Instruktionen unterschiedlich ein.

 

*Dieser Beitrag wurde im Rahmen des digitalen Jahres der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (digiGEBF21) eingereicht und ist bis zum 31.12.2022 an dieser Stelle verfügbar. Alle Rechte liegen bei den Verfasser*innen.