Abstract
Bildungsentscheidungen, wie der Übergang in ein Masterstudium, werden meist mit Hilfe von Erwartungs-Wert-Modellen erklärt (z.B. Eccles et al. 1983; Erikson & Jonsson 1996). Angesichts verschiedener Handlungsalternativen entscheiden sich Akteure für die Option, die unter Abwägung der subjektiv erwarteten Kosten und Erträge (Wertkomponente) sowie der individuellen Erfolgsaussichten (Erwartungskomponente) am vielversprechendsten erscheint. Die Wertzuschreibung kann dabei sowohl intrinsisch (z. B. Interesse) als auch instrumentell (z. B. Nutzen für die berufliche Zukunft) sein. Die Kosten können sowohl monetäre (Erikson & Jonsson 1996; Esser 1999) als auch psychologische Kosten (z.B. Aufwand/Anstrengung; Eccles et al. 1983; Wigfield & Eccles 2000) sein.
Erwartungs-Wert-Modelle sind auch für die Entscheidung am Bachelor-Master-Übergang tragfähig. Studien zeigen, dass sowohl die antizipierten instrumentellen Erträge und monetäre Kosten als auch insbesondere die Erfolgserwartung die Entscheidung, ein Masterstudium aufzunehmen, beeinflussen (Lörz et al. 2015; Neugebauer et al. 2016; Kretschmann et al. 2017; Bergann et al., 2019). Unklar ist aber bislang, welche Rolle die intrinsische Wertzuschreibung sowie psychologische Kosten spielen.
Zudem ist zu den Antezedenzien der Erwartungs- und Wertkomponenten wenig bekannt. In Anlehnung an das Erwartungs-Wert-Modell von Eccles konnten Bergann et al. (2019) zeigen, dass domänenspezifische Leistungsselbsteinschätzungen über Noten hinaus wichtige Prädiktoren der Erwartungskomponente sind. Neben allgemeinen fachlichen Leistungsselbsteinschätzungen scheinen hier insbesondere Selbsteinschätzungen in Bezug auf wissenschaftliches Arbeiten bedeutsam zu sein (Bergann et al., 2019). Unklar ist bislang, ob domänenspezifische Leistungsselbsteinschätzungen entsprechend auch eine Rolle für die (intrinsische) Wertzuschreibung eines Masterstudiums spielen.
Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Überlegungen untersucht der Beitrag folgende Fragen:
(1) Welche Bedeutung haben Noten und Leistungsselbsteinschätzungen für die Vorhersage der Intention, ein Masterstudium aufzunehmen? Inwieweit sind die Effekte der Leistungsselbsteinschätzungen auf die Intention über die Erwartungs- und Wertkomponenten (Erfolgserwartung, Intrinsic Value, Attainment Value) vermittelt?
(2) Welche Bedeutung haben die intrinsischen Wertkomponenten für die Übergangsintention im Vergleich zu Erwartungs- und Kostenüberlegungen sowie insbesondere im Vergleich zu den antizipierten instrumentellen Erträgen eines Masterstudiums (Karriere- und Verdienstmöglichkeiten)?
Datengrundlage bildet eine querschnittliche Online-Befragung von Bachelorstudierenden einer größeren deutschen Universität im Sommersemester 2019 (N=2861). Die Intention, ein Masterstudium aufzunehmen, sowie die Erfolgserwartung wurden jeweils über zwei selbstentwickelte Items operationalisiert. Für die Erhebung der antizipierten monetären Kosten sowie der instrumentellen Erträge eines Masterstudiums wurden Items aus Lörz et al. (2012) genutzt. Die intrinsische Wertzuschreibung wurde zum einen über fünf Items zur Erfassung des wissenschaftlichen Interesses (Intrinsic Value) sowie über ein Item zur Erfassung des Attainment Value operationalisiert (Holland, 1997; Trautwein et al., 2012). Zusätzlich wurde in Anlehnung an Trautwein et al. (2012) ein Item zur Erfassung der psychologischen Kosten (Effort) eingesetzt. Neben der allgemeinen Leistungsselbsteinschätzung (Köller et al. 2004) wurden Leistungsselbsteinschätzungen in Bezug auf das Arbeiten mit wissenschaftlichen Texten erfasst (Eigenentwicklung). Als Kovariaten wurden soziodemographische und bildungsbiographische Merkmale berücksichtigt.
Die vorläufigen Regressionsergebnisse zeigen erstens, dass die Effekte der leistungsbezogenen Variablen in Übereinstimmung mit der Erwartungs-Wert-Theorie (Eccles et al. 1983; Wigfield und Eccles 2000) vollständig über Unterschiede sowohl in der Erwartungs- als auch der Wertkomponente vermittelt sind. Zweitens finden wir, dass das wissenschaftliche Interesse (Intrinsic Value) einen ähnlich starken Effekt auf die Übergangsintention hat wie die antizipierten instrumentellen Erträge. Die Erfolgserwartung zeigte, in Übereinstimmung mit vorherigen Studien (Bergann et al., 2019), die stärksten Zusammenhänge mit der Übergangsintention, während Kostenüberlegungen eine untergeordnete Rolle zu spielen scheinen.
Die Ergebnisse legen nahe, dass Studierende ein Masterstudium vor allem dann aufnehmen, wenn sie eine hohe Erwartung an den erfolgreichen Abschluss des Masterstudiums haben. Aber auch ein hohes wissenschaftliches Interesse sowie ein hoher wahrgenommener Nutzen des Masterstudiums im Hinblick auf Karriere- und Verdienstmöglichkeiten spielen eine Rolle. Anhand der differenzierten Erfassung der Erwartungs- und Wertkomponenten und der Berücksichtigung von Leistungsselbsteinschätzungen können wertvolle Hinweise auf die Entstehung von interindividuellen Unterschieden am Bachelor-Master-Übergang gewonnen werden.
*Dieser Beitrag wurde im Rahmen des digitalen Jahres der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (digiGEBF21) eingereicht und ist bis zum 31.12.2022 an dieser Stelle verfügbar. Alle Rechte liegen bei den Verfasser*innen.