Inklusionskompetenz und medienpädagogische Kompetenz in der beruflichen Ausbildung von RehabilitandInnen aus Sicht der Lehrenden*

 

Autor*innen: Isabel Zorn & Denise Gühnemann

 

Abstract

Die Nutzung digitaler Medien in Lernprozessen berücksichtigt erst beginnend Inklusionskriterien, obwohl Vorgaben für die Barrierefreiheit (BITV 2.0; UN-BRK, 2008) vorliegen. Unternehmen und Bildungseinrichtungen sehen sich einerseits mit Fragen des Datenschutz, Privatsphäre und Barrierefreiheit konfrontiert (Assmann et al. 2016). Andererseits erleben sie zunehmend Anforderungen an Inklusions- und Diversita-Management in den Betrieben und in der beruflichen Bildung. Stand der Praxis derzeit ist, dass bestehende populäre Technologien, die Lerncommunities unterstützen (Facebook, WhatsApp, Slack, etc), Mängel beim Datenschutz aufweisen und entsprechend der Schuldatenschutzgesetze nicht in Bildungsinstitutionen verwendet werden dürften; datensicherere Alternativen wiederum Barriereprobleme aufweisen, die inklusionshinderlich sind.

Bislang zeigt sich, dass Menschen mit Handicap auch in ihrer Informations- und Medienkompetenz benachteiligt und in geringerem Maße an weiterführendem, selbstgesteuertem Lernen beteiligt sind (z.B. ICILS 2013, D21-Digital-Index 2016; Bosse et al. 2016). Doch gerade dieses Lernen wird zunehmend von Unternehmen – beispielsweise im Rahmen von E-Learning gestützten Weiterbildungen und bei räumlich verteiltem Arbeiten – erwartet. In der beruflichen Ausbildung wird die Vermittlung von Medienkompetenz zwar zunehmend als notwendig erachtet (vgl. Jahrbuch Medienpädagogik 9, 2012, Krämer/Jordanski 2017), die Voraussetzungen dafür sind jedoch auch aus Sicht der Lehrenden und Ausbildenden (vgl. Schmid et al. 2016) nur teilweise gegeben. Welche Bedarfe aus Sicht der Lehrenden in der beruflichen Bildung für eine inklusionsorientierte Mediendidaktik und Medienkompetenz-vermittlung bestehen, ist bislang kaum erforscht.

Die Sicht der Lehrenden in der beruflichen Ausbildung und Rehabilitation auf medienpädagogische Kompetenzen sowie auf Medien- und Inklusionskompetenzmodelle wird bei theoretischen Überlegungen nur selten berücksichtigt. Eine Verknüpfung von Perspektiven auf Inklusion, Mediendidaktik und Medienkompetenz scheint zur Förderung von (beruflicher) Teilhabe notwendig: „Medien haben eine besondere Relevanz für die Gestaltung von Inklusion, da über und mit Medien Inhalte, Bilder und Werte und in dem Sinne Kultur vermittelt und hergestellt werden und weil sie Teilhabe- und Interaktionschancen ermöglichen und bedingen.“ (Bosse et al 2019, S.19).

Welche Erfahrungen einer inklusionsorientierte medienpädagogische Kompetenz der Lehrenden schildern Lehrende der beruflichen Bildung im Berufsförderungswerk und welche Bedarfe sehen sie um selbst Medienkompetenzen bei den Auszubildenden und RehabilitandInnen stärken und fördern zu können und damit inklusive Medienbildung zu ermöglichen.

In einer Gruppendiskussion (Lamnek/Krell 2016) unter AusbilderInnen für kaufmännische Berufe des Berufsförderungswerkes Köln (BFW) wurden Anforderungen und Erfahrungen in Bezug auf den Einsatz digitaler Medien mit RehabilitandInnen in der beruflichen Bildung diskutiert. Ziel der Erhebungsmethode war die Erkundung von Meinungen und Einstellungen der einzelnen Teilnehmer der Gruppendiskussion. Diese wurde gegenüber Einzelinterviews präferiert, um durch gegenseitige Impulse und Inspirationen die auf Inhalte bezogene Ideengenerierung der Lehrenden anzustoßen. Ziel war die Informationsgewinnung über die als relevant erachteten Faktoren, Bedingungen und Bedarfe inklusions- und medienpädagogische ausgerichteten Lehrhandelns, nicht aber kollektive Orientierungsrahmen.

Die Auswertung der Gruppendiskussion erfolgte daher nach der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2007) und folgt dabei den Prinzipien der Regelgeleitetheit, im Zentrum stehen die thematischen Kategorien der Aussagen.
Die Vermittlung von Medienkompetenz in der beruflichen Ausbildung und Rehabilitation, bedarf aus Sicht des Lehrpersonals einer strukturierten Vermittlung medienpädagogischer Kompetenz an das Lehr- und Ausbildungspersonal. Aus der Verknüpfung der empirischen Ergebnisse mit den theoretischen Modellen zeigt sich zusammengefasst

1. der Bedarf einer Begriffsstruktur für Inklusionskompetenz und medienpädagogische Kompetenz und
2. der Bedarf eines Handlungsmodells für inklusionsorientiertes Lehren mit Medien.

Die DiskussionsteilnehmerInnen artikulieren die Notwendigkeit der Berücksichtigung der medialen Alltagspraktiken der Auszubildenden und RehabilitandInnen. Sie knüpfen damit an ein wesentliches Prinzip (medien-)pädagogischer Praxis an: Lebensweltorientierung. Die Lebenswelt und die Nutzung digitaler Hilfsmittel ist insbesondere in inklusiven Kontexten divers.

Um medienpädagogische Kompetenz und ihre Dimensionen mit Bezug auf Inklusionsbedarfe aufzubauen, wird eine systematische Vorgehensweise benötigt. Dazu werden systematisierte Begriffsstrukturen für Inklusionskompetenz und Medienpädagogische Kompetenz für Lehrende in der beruflichen Bildung ebenso gewünscht wie konkrete Handlungsoptionen durch ein Handlungsmodell in der beruflichen Rehabilitation, das sich an der Berufs- und Ausbildungspraxis messen soll.

Lehrende in der beruflichen Bildung für RehabilitandInnen formulieren einen Bedarf für die verknüpfte Vermittlung medienpädagogischer und inklusionsorientierter Kompetenzen für das Lehrpersonal und verweisen darauf, dass Lehrende in der beruflichen Ausbildung und Rehabilitation nicht durch einheitliche Hochschulbildung ausgebildet werden und Weiterbildung daher erforderlich sei.

 

*Dieses Poster wurde im Rahmen des digitalen Jahres der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (digiGEBF21) eingereicht und ist bis zum 31.12.2022 an dieser Stelle verfügbar. Alle Rechte liegen bei den Verfasser*innen.