Abstract
Ergebnisse von Walker u.a. (2016) legen nahe, dass die Kompetenzen von Auszubildenden Elektroniker/-innen für Automatisierungstechnik im Bereich der analytischen Problemlösefähigkeit (aPLF) am Ende ihrer Ausbildung nicht den curricularen Anforderungen entsprechen. Als aPLF im Bereich der Automatisierungstechnik wird u.a. die Fehlerdiagnose in steuerungstechnischen Anlagen verstanden (vgl. Walker et al., 2016). Als möglicher Ansatz zur Förderung der aPLF bei Auszubildenden, hat sich der Cognitive Apprenticeship (CA)-Ansatz von Brown, Collins und Duguid (1989) als wirksam erwiesen. Dies konnte im deutschsprachigen Raum u.a. die Arbeitsgruppe von Schaper, Hochholdinger und Sonntag (2003, 2004), basierend auf dem CA-Ansatz, erfolgreich in Form eines Konzepts zur Förderung der Fehlerdiagnose von Auszubildenden im Bereich der Automatisierungstechnik umsetzen. Dass eine Überführung dieses Konzepts in den Bereich der Lehrerfortbildungen bisher nicht stattgefunden hat, überrascht vor dem Hintergrund der Studien zum Einfluss des Professionswissens, insbesondere des fachdidaktischen Wissens, von Lehrpersonen auf die Schulleistungen der Lernenden sehr (vgl. Hohenstein, Köller & Möller, 2015; Kunter, Baumert, Blum & Neubrand, 2011).
Basierend auf dieser Ausgangssituation, wurde ein Fortbildungskonzept zur Förderung der aPLF mit Fokus auf dem fachdidaktischen Wissen der Lehrpersonen konzipiert. Das Fortbildungskonzept wurde basierend auf dem TPACK-Modell von Mishra und Koehler (2006) entwickelt. Das TPACKModell umfasst drei Basiswissensdimensionen, sowie deren Schnittmengen. Entlang der Basiswissensdimensionen pädagogisches, technologisches sowie Inhaltswissen, wurden die Inhalte, Methoden sowie einzusetzende Technologien (sowohl low-tech als auch high-tech Medien) ausgewählt. Pädagogische Inhalte bilden der CA-Ansatz sowie das informative tutorielle Feedback nach Narciss (2006); fachliche Inhalte beziehen sich auf Strategien zur Fehlerdiagnose (Konradt, 1992); technologische Inhalte bilden eine authentische Simulation einer Automatisierungsanlage, die auf PCs oder Tablets bearbeitet werden kann, sowie papierbasierte Feedbackkarten.
Durch die Evaluation der Fortbildung sollen folgende Forschungsfragen beantwortet werden:
(1) Welche Entwicklung ist in den einzelnen Dimensionen von TPACK, insbesondere bezogen auf das fachdidaktische Wissen, nach Durchlaufen der Fortbildung zu verzeichnen?
(2) Können die im TPACK-Modell theoretisch angenommenen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Dimensionen des Professionswissens repliziert werden?
Die Prüfung der Forschungsfragen erfolgt anhand einer quasiexperimentellen Untersuchung in Form eines Experimental-Kontrollgruppen-Testdesign mit Lehrpersonen an berufsbildenden Schulen. Die Erfassung des Professionswissen erfolgt über einen Selbsteinschätzungsfragebogen (fünfstufige Likert-Skala) in einem Pre-Post-Testdesign, der zu jeder TPACK Wissensdimension mehrere Items enthält. Dieser basiert auf einem Instrument von Schmidt et al. (2009), mit Übersetzung, Adaption und Erprobung durch Walker et al. (2017). Die Förderung der aPLF erfolgt in einer eintägigen Veranstaltung mit einer Dauer von acht Schulstunden.
An der Fortbildung haben n=57 Lehrpersonen teilgenommen. Im Mittel waren die Lehrkräfte 44 Jahre alt (SD=9,1) und haben eine durchschnittliche Unterrichtserfahrung von 12 Jahren (SD=8,3). Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage wurde ein t-Test für abhängige Stichproben durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die größten Veränderungen im fachdidaktischen Wissen (t (47) = 12.1, p < .001) und die kleinsten Veränderungen im technologischen Wissen (t (50) = 2.8, p < .01) auftreten. Auch die Effektstärke ist für das technologische Wissen am kleinsten (d = .39) und für das fachdidaktische Wissen am größten (d = 1.75). Für die zweite Forschungsfrage wurden Korrelationsanalysen zwischen den einzelnen Wissensdimensionen berechnet. Die von Schmidt et al. (2009) theoretisch angenommenen Zusammenhänge zwischen den Wissensdimensionen können repliziert werden. Demnach korrelieren näher beieinanderliegende Wissensdimensionen stärker miteinander als weiter entfernte Wissensdimensionen. So korrelieren das fachdidaktische Wissen und Inhaltswissen (.43**/.56**) sowie das fachdidaktische und pädagogische Wissen (.56**/.61**) stärker miteinander als das Inhaltswissen mit dem pädagogischen Wissen (.20/.29*).
Die positiven Rückmeldungen aus den Fortbildungen unterstreichen die Akzeptanz des Fortbildungskonzeptes welches bereits Anwendung im schulischen Unterricht findet. Damit leistet das Projekt einen substanziellen Beitrag zur Lehrerbildung indem es Aussagen über die Wirksamkeit der Lehrerfortbildung erlaubt. Darüber hinaus wird die Lehrerfortbildung weitergeführt und in der zweiten Förderphase auf Ebene der Lernenden auf seine Wirksamkeit hin betrachtet.
*Dieser Beitrag wurde im Rahmen des digitalen Jahres der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (digiGEBF21) eingereicht und ist bis zum 31.12.2022 an dieser Stelle verfügbar. Alle Rechte liegen bei den Verfasser*innen.