Entwicklung eines videobasierten Testinstruments zur Messung professioneller Lehrerkompetenz*

 

Autor*innen: Andrea Faath-Becker & Felix Walker

 

Abstract

Theoretischer Hintergrund
Die curriculare Forderung der KMK an das Lehramtsstudium für berufsbildende Schulen (BBS) ist es, Studierende zur Planung, Durchführung und Reflexion von kompetenzförderndem (qualitätsvollem) Unterricht zu befähigen (Kultusministerkonferenz [KMK], 2017, S. 76–77). Diese Forderung wirft Fragen auf, a) nach dem Verständnis/Modell professioneller Kompetenz, welches der KMK Forderung entspricht/genügt, b) was unter kompetenzförderndem und qualitätsvollem Unterricht zu verstehen ist und c) wie diese Forderung in das BBS Studium integriert werden kann.

Zu a): Ein Modell professioneller Kompetenz, welches die KMK Forderung abbildet, wurde von (Lindmeier, Heinze & Reiss, 2013) vorgeschlagen und umfasst neben Wissenskomponenten zusätzlich die Kompetenzkomponenten reflexive Kompetenz (RK) mit ihrer Unterscheidung in Vor- und Nachbereitung von Unterricht sowie aktionsbezogene Kompetenz (AK) in der Durchführung von Unterricht.

Zu b): In Anlehnung an Berliner (2005) stellt qualitätsvoller Unterricht die Synergie von gutem (Einhaltung normativer Prinzipen) und effektivem Unterricht (Erreichen geforderter Kompetenzziele) dar. In diesem Zusammenhang bietet sich die Unterscheidung von Unterrichtsbeobachtung in Sicht- und Tiefenstrukturen nach Oser & Patry (1990) an, wobei sich insbesondere für die Tiefenstruktur die Merkmale Klarheit und Strukturiertheit des Unterrichts, die kognitive Aktivierung der Schüler/innen sowie das (Lehrer-)Feedback in unterschiedlichen Studien als Merkmale wirksamen Unterrichts erwiesen (z.B. Lipowsky, 2015).

Zu c): Bislang können universitäre fachdidaktische Veranstaltungen für das BBS Lehramt fast ausschließlich die Planung von Unterricht fokussieren (z.B. in Form von schriftlichen Ausarbeitungen über eine fiktive Unterrichtssequenz). Die Befähigung der Studierenden zur Unterrichtsdurchführung bzw. Reflexion muss z.T. aus organisatorischen oder personellen Gründen weitestgehend unberücksichtigt bleiben. Auch der Ansatz, Praxisphasen bzw. -semester in das Studium zu integrieren, scheint nur bedingt zielführend und dessen Wirksamkeit bislang unklar (König, Rothland & Schaper, 2018).

Einen weiteren Lösungsansatz stellen Videovignetten dar, welche sich durch eine authentische Abbildung der Unterrichtsrealität, insbesondere im Bereich der universitären Lehrerbildung, für den Erwerb professioneller Kompetenz (sowohl RK als auch AK) eignen (Riegel, 2013, S. 14–15); Holzberger & Kunter, 2016). Sind in den letzten Jahren vermehrt Videovignetten zur Fortführung oder Reflexion von Unterricht im allgemeinbildenden Bereich (Seidel & Thiel, 2017, S. 6) und in der Wirtschaftspädagogik (Kuhn, Zlatkin-Troitschanskaia, Saas & Brückner, 2018; Seifried & Wuttke, 2017) entstanden, kann dies für den gewerblich-technischen Teil der beruflichen (Lehrer-) Bildung nicht festgestellt werden (Riegel, 2013, S. 18–20).

Fragestellung
Diesem Desiderat begegnet der Beitrag, indem er den Fragen nachgeht, (1) ob, basierend auf dem theoretischen Rahmen zur professionellen Lehrerkompetenz und zur Unterrichtsqualität (vgl. a) und b)), Videovignetten für die Erfassung von RK und AK für das BBS Lehramtsstudium entwickelt werden können und (2) wie die Auswertungsobjektivität der zu entwickelnden (z.T. hochinferenten) Merkmale der Tiefenstruktur in den Videovignetten zur RK und AK ausfällt.

Methode
Hierfür werden in einem ersten Schritt reale Unterrichte (Lindmeier, 2013; Seidel, Prenzel, Duit & Lehrke, 2003) mittels standardisierter Videographie (Asbrand & Martens, 2018; Seidel et al., 2003) aufgenommen und in Abschnitte zerlegt, um daraus die Merkmale von Unterrichtsqualität der RK und AK zu identifizieren. Anschließend wird die Auswertungsobjektivität (prozentuale Übereinstimmung (PÜ) und Cohens Kappa) von zwei Beobachtern hinsichtlich der Merkmale berechnet (Döring & Bortz, 2016, S. 566–569). In einem Online-Test wurde die Auswertungsobjektivität in der Breite über Studierende, Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst und erfahrene Lehrkräfte ermittelt.

Ergebnisse und ihre Bedeutung
Gegenwärtig liegen 21 Videovignetten über die beiden Kategorien RK (13) und AK (8) vor, die auf Basis des theoretischen Rahmens sehr gut identifiziert werden konnten. Die Analysen zur Auswertungsobjektivität sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Eine erste merkmalsspezifische Überprüfung zeigt große Schwankungen an, so variiert z.B. die mittlere PÜ für die „inhaltliche Klarheit“ zwischen der RK (PÜ = 75%) und AK (PÜ = 100%). Resümierend ist festzuhalten, dass erstmals theoriegeleitet Videovignetten für das BBS Lehramtsstudium entwickelt wurden, welche den KMK Forderungen entsprechen und auch in fachdidaktische Veranstaltungen integriert werden können.

 

*Dieser Beitrag wurde im Rahmen des digitalen Jahres der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (digiGEBF21) eingereicht und ist bis zum 31.12.2022 an dieser Stelle verfügbar. Alle Rechte liegen bei den Verfasser*innen.