Abstract
Theoretischer Hintergrund
Computerspiele können in diverse Lehr-/Lernkontexte eingebunden werden und mit unterschiedlichen Lernprozessen zusammenhängen (Boyle et al., 2016; Rüth, 2017), wobei erwünschte wie unerwünschte Lerneffekte bedacht werden sollten (Kaspar, 2017). Schüler*innen können mit Computerspielen zur Unterhaltung und zum Lernen ihr Wissen mehr erweitern als in traditionellen Lehrkontexten, wohingegen keine eindeutigen motivationalen Unterschiede gefunden wurden (Clark, Tanner-Smith, & Killingsworth, 2016; Wouters, Van Nimwegen, Van Oostendorp, & Van Der Spek, 2013). Gerade in Computerspielen zur Unterhaltung wird die darin dargestellte Thematik jedoch oft nicht mit der für den Schulunterricht benötigten Detailtiefe und fachlichen Korrektheit vermittelt (Schrader, Deniz, & Keilty, 2016). Es stellt sich daher die Frage, ob mit solchen Computerspielen gelernt werden kann und ob man diese gezielt zur kritischen Diskussion und Reflexion der darin dargestellten Themen curricular einbinden kann.
Fragestellung
Wir untersuchten im Biologie- und Geschichtsunterricht, was Schüler*innen durch die Nutzung eines thematisch und curricular passenden Computerspiels zur Unterhaltung lernen. Wir fragten, worüber die Schüler*innen nach der Nutzung der Computerspiele diskutieren und reflektieren (RQ1) sowie ob sich ihr thematisches Wissen (RQ2), ihre Lernmotivation (RQ3) und die Akzeptanz von Computerspielen verändern (RQ4).
Methode
Wir integrierten das Computerspiel Spore in den Biologieunterricht einer zehnten Klasse und das Computerspiel Valiant Hearts: The Great War in den Geschichtsunterricht einer zwölften Klasse. Am Biologieunterricht nahmen 29 Schüler*innen (MAlter = 15.52, SDAlter = 0.63; 16 weiblich) und am Geschichtsunterricht 16 Schüler*innen teil (MAlter = 17.45, SDAlter = 0.50; 8 weiblich). Der Unterricht erstreckte sich über eine Doppelstunde und fand zeitgleich an derselben Schule in unterschiedlichen Klassenräumen statt.
Einen Tag vor den Doppelstunden bewerteten die Schüler*innen ihr thematisches Wissen, relevante Aspekte der Lernmotivation (Interesse, Relevanz, und Wille) sowie ihre Akzeptanz und Nutzung von Computerspielen. In den Doppelstunden zeigten die Lehrkräfte das Einleitungsvideo des jeweiligen Spiels und verteilten Arbeitsblätter mit Leitfragen, anhand derer die Schüler*innen sich auf die Diskussion vorbereiten konnten. Während der Spielphase (40 min) spielten alle Schüler*innen nacheinander und gleichlang. Anschließend bewerteten sie ihr thematisches Wissen, den Lerneffekt des Computerspielens und wie kompetent, zufrieden und intrinsisch motiviert sie dabei waren. Es folgte eine von den Lehrkräften moderierte semi-strukturierte Diskussionsrunde, woraufhin die Schüler*innen die Diskussion und ihre damit verbundenen thematischen Wissenszuwachs bewerteten. In der darauffolgenden Unterrichtsstunde bewerteten die Schüler*innen erneut ihr thematisches Wissen, relevante Aspekte der Lernmotivation (Interesse, Relevanz, und Wille) sowie ihre Akzeptanz und den Lerneffekt des Computerspielens. Sie sollten sich zusätzlich an bis zu drei Punkte erinnern, die sie durch das Computerspielen gelernt hatten.
Ergebnisse
Thematische Analysen zeigten, dass die Schüler*innen sich unter anderem zur Spielhandlung, zum Spielspaß sowie zur Eignung des Spiels zum Lernen äußerten (RQ1). Qualitative Inhaltsanalysen offenbarten, dass die Schüler*innen verschiedene Ziele in den Spielen identifizierten. Die Schüler*innen diskutierten ebenfalls darüber, inwiefern die Darstellungen der Prozesse und Ereignisse in den Spielen vereinfacht waren und übten daraufhin konstruktive Kritik an den Spielen in Form von eigenen Verbesserungsvorschlägen. Die Schüler*innen bewerteten die Diskussion insgesamt als wichtig.
Mittels t-Tests für abhängige Stichproben fanden wir keine signifikante Veränderung des berichteten thematischen Wissens (RQ2), alle ps > .083, alle d < 0.47. Komplementäre qualitative thematische Analysen und Inhaltsanalysen zeigten, dass die Schüler*innen aus dem Geschichtsunterricht relativ gesehen häufiger einen Wissenszuwachs durch das Spielen berichteten. Weitere t-Tests zeigten zudem keine Änderung der Lernmotivation, alle ps > .069, alle d < 0.42 (RQ3), und der Akzeptanz von Videospielen, alle ps > .432, alle d < 0.20 (RQ4).
*Dieser Beitrag wurde im Rahmen des digitalen Jahres der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (digiGEBF21) eingereicht und ist bis zum 31.12.2022 an dieser Stelle verfügbar. Alle Rechte liegen bei den Verfasser*innen.