Die Rolle von Lehrkräften in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte – Effekte von institutionell angebotenen und individuell wahrgenommenen Lerngelegenheiten auf den Wissenserwerb*

Autor*innen: Simone Dunekacke, Lars Jenßen & Sigrid Blömeke

 

Abstract

In Angebots-Nutzungs-Modellen wird für die Lehrkräftebildung davon ausgegangen, dass neben anderen auch institutionelle Merkmale eine zentrale Rolle für den Kompetenzerwerb spielen (Blömeke, Kaiser, & Lehmann, 2010; Kunter, Kleickmann, Klusmann, & Richter, 2011), z.B. die Quantität und Qualität der Lerngelegenheiten (englisch opportunities to learn, OTL). Der Fokus in der Forschung lag bislang auf OTL, die die Studierenden selbst berichteten, dem sog. implementiertem Curriculum (McDonnell, 1995) und dessen Effekten (z.B. Klemenz, König, & Schaper, 2019). Die Frage, welche Lerngelegenheiten die Ausbildungsinstitutionen tatsächlich anbieten wurde durch Curriculaanalysen, den sog. intendierten Lerngelegenheiten (McDonnell, 1995) untersucht.
In Ausbildungsgängen mit hoher struktureller Heterogenität erscheint es sinnvoll, die Wirkkette zwischen dem intendierten und dem implementierten Curriculum zu untersuchen, da es zu Unterschieden in der Implementation des Curriculums kommen kann. Hierzu können von den Lehrenden berichtete OTL herangezogen werden (McDonnell, 1995).

Um eine heterogene Ausbildung handelt es sich bei frühpädagogischen Fachkräften in Deutschland. Strukturell variiert sie zwischen der Ausbildung an Fachschulen/Fachakademien sowie an Hochschulen. Auf der Ebene des intendierten Curriculums werden der Erwerb von pädagogischem, mathematikdidaktischem und mathematischem (Fach)wissen (PW, MD, FW) als Ausbildungsziele benannt (KMK, 2017). Erste Befunde zeigen, dass dies für PW besser als für MD und FW gelingt (Blömeke, Jenßen, Grassmann, Dunekacke, & Wedekind, 2017; Mischo, 2016). Die Frage ist, ob Unterschiede im Angebot der Ausbildungsinstitution oder in der Wahrnehmung durch die FachschülerInnen/Studierenden die Ursache sein könnten.

Die vorliegende Studie untersucht die Frage: Welchen Effekt haben von den Fachschul-/Hochschullehrenden berichtete OTL, als Indikator für das tatsächlich implementierte Curriculum, für die von den FachschülerInnen/Studierenden wahrgenommenen OTL und das erreichte Wissen? Wir gehen davon aus, dass die von den Fachschul-/Hochschullehrenden berichteten Lerngelegenheiten direkte und indirekte Effekte auf das von den FachschülerInnen/Studierenden erreichte Wissen haben (Blömeke et al., 2010; Kunter et al., 2011).
Es werden Daten von 909 FachschülerInnen/Studierenden und 43 Fachschul-/Hochschullehrenden, die in den Klassen/Kursen unterrichten ausgewertet. Zur Erfassung der Lerngelegenheiten wurde für Fachschul-/Hochschullehrenden und FachschülerInnen/Studierenden ein Fragebogen mit 4/7/4 (PW/MD/FW) Items eingesetzt (Blömeke et al., 2017). Alle Fragen wurden auf einer vierstufigen Likertskala von „gar nicht“ bis „intensiv“ beantwortet. Der Fragebogen erreichte in beiden Gruppen zufriedenstellende Reliabilitäten (Cronbach’s α = .77/.87/.95 bzw. 73/.83/.91). Das Wissen wurde mit standardisierten Tests erfasst (Blömeke et al., 2015). Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden Mehrebenen-Strukturgleichungsmodelle in MPlus spezifiziert (Muthén & Muthén, 1998-2017).
Alle drei geschätzten Modelle erreichen einen guten bis zufrieden stellenden Modellfit. Die von den Fachschul-/Hochschullehrenden berichteten OTL sind für alle drei Wissensbereiche prädiktiv für die von den FachschülerInnen/Studierenden wahrgenommenen OTL (β = .80**/.69*/.65**). Für PW und MD sind die von den Fachschul-/Hochschullehrenden berichteten OTL darüber hinaus signifikante Prädiktoren für das erreichte Wissen (β = .56**/.45*), nicht jedoch für FW. Die von den FachschülerInnen/Studierenden wahrgenommenen OTL sind nur für PW bedeutsam (β = .11**), hier zeigt sich darüber hinaus auch ein indirekter Effekt (OTL (L) mediiert über OTL (FS/S) für PW: βind = .64**).

Für das pädagogische Wissen, was für die Ausbildung an Fachschulen/Fachakademien und Hochschulen als „Kerngeschäft“ der Ausbildung gesehen werden kann, lässt sich der theoretisch angenommene Wirkmechanismus von intendierten und implementierten Lerngelegenheiten auf das erreichte Wissen gut abbilden. Für die bislang weniger stark in der Ausbildung berücksichtigten domänenspezifischen Bereiche deutet sich in unserer Studie ebenfalls eine hohe Bedeutung der von den Fachschul-/Hochschullehrenden implementierten Lerngelegenheiten an, jedoch zeigen sich die Wirkmechanismen hier (noch) nicht so klar. Dies könnte daran liegen, dass die Lerngelegenheiten hier insgesamt noch recht niedrig ausgeprägt sind und auch die Effekte auf das erreichte Wissen deutlich geringer ausfallen (Blömeke et al., 2017; Mischo, 2016). Validierungen der Ergebnisse sowie Limitationen der Studie werden im Vortrag diskutiert.

 

*Dieser Beitrag wurde im Rahmen des digitalen Jahres der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (digiGEBF21) eingereicht und ist bis zum 31.12.2022 an dieser Stelle verfügbar. Alle Rechte liegen bei den Verfasser*innen.