Abstract
Der Übertritt von der Grundschule in die weiterführende Schule gilt als besondere Statuspassage für Schüler*innen und geht in Bezug auf das Erleben positiver und negativer Lern- und Leistungsemotionen häufig mit einer eher ungünstigen Entwicklung einher (van Ophuysen, 2008). Im Fokus bisheriger Studien zu Transition stehen meist kulturelle, soziale und regionale Differenzen (z.B. Maaz et al., 2010). Das individuelle und insbesondere affektive Erleben im Kontext des Übergangs sowie hierauf bezogene Unterrichtsmerkmale, wie soziale Eingebundenheit, selbstreguliertes Lernen und Teilhabe, wurden demgegenüber bislang kaum untersucht. Der Übertritt in die Sekundarstufe I geht mit einem veränderten sozialen Umfeld, neuen fachlichen Anforderungen und Veränderungen auf organisationaler Ebene einher, was von Schüler*innen zum Teil als starke emotionale Belastung erlebt wird und mit einem höheren Stress- und Ärgererleben, erhöhter Schul- bzw. Prüfungsangst und einem Absinken schulbezogener Selbstwirksamkeitserwartungen einhergeht (Valtin & Wagner, 2004; van Ophuysen, 2008). Zudem hängen Lern- und Leistungsemotionen von der entsprechenden Schulform ab. Schüler*innen, die auf ein Gymnasium übertreten erleben tendenziell mehr positive Emotionen (Harazd & Schürer, 2006).
Ziel der vorzustellenden Studie ist es daher, individuelle und kontextuelle Prädiktoren ausgewählter positiver und negativer Lern- und Leistungsemotionen (Freude, Stolz, Ärger und Angst) auf der Basis des Kontroll-Wert-Ansatzes (Pekrun & Perry, 2014) zu Beginn der Sekundarstufe I zu identifizieren und daraus mögliche Implikationen in Bezug auf die Gestaltung partizipativer Lehr-Lernarrangements im Kontext des Übertritts abzuleiten. An der vorliegenden Studie, die etwa sechs Wochen nach dem Übergang in der fünften Jahrgangsstufe durchgeführt wurde, nahmen 619 Schüler*innen (57.3 % weiblich) im Alter von M = 10.21 (SD = 0.46) teil. Die Schüler*innen verteilen sich auf zehn Schulen (sieben Gymnasien und drei Realschulen) mit insgesamt 30 Klassen in kirchlicher Trägerschaft in einem Bundesland. Im Rahmen der Untersuchung wurden standardisierte Skalen, die unter anderem schulbezogene Selbstwirksamkeitserwartungen, unterrichtsbezogene Emotionen, Unterrichtsqualität, Unterrichtsklima und Schulleistung umfassen (Interne Konsistenzen: Cronbachs Alpha = .64 bis .90), eingesetzt. Mögliche Effekte der Schulart wurden kontrolliert. Aufgrund der genesteten Datenstruktur wurde ein mehrebenenanalytisches Verfahren gewählt.
Die Ergebnisse dieser Analysen (Random-Intercept-Modelle; Luke, 2004) bestätigen, dass bei der positiven Emotion Freude (ICC1 = 0.06) neben Merkmalen auf Individualebene (z.B. intrinsische Motivation: β = 0.34, SE = 0.04, p < .001) auch Faktoren auf Klassenebene (Unterrichtsqualität Bilanz/Ertrag: β = 0.10, SE = 0.05, p < .05) signifikant zur Varianzaufklärung (R² = .42) beitragen, während die positive Emotion Stolz (ICC1 = 0.01) vorwiegend durch Merkmale auf Individualebene (z.B. schulbezogene Selbstwirksamkeitserwartungen: β = 0.46, SE = 0.04, p < .001) prädiziert wird (R² = .39). In Bezug auf die negative Lern- und Leistungsemotion Ärger (ICC1 = 0.09) konnten neben signifikanten Einflussfaktoren auf Individualebene (z.B. intrinsische Motivation: β = -0.20, SE = 0.05, p < .001) auch Prädiktoren auf Klassenebene (Unterrichtsqualität Bilanz/Ertrag: β = -0.16, SE = 0.05, p < .01; Klassenführung: β = -0.17, SE = 0.05, p < .001) identifiziert werden (R² = .31). Die negative Emotion Angst (ICC1 = 0.07) wird im vorliegenden Setting vorwiegend durch Prädiktoren auf Individualebene (z.B. schulbezogene Selbstwirksamkeitserwartungen: β = -0.27, SE = 0.04, p < .001) vorhergesagt. Auf Klassenebene konnten keine signifikanten Einflussfaktoren identifiziert werden (R² = .28). Ein Schularteffekt (β = 0.16, SE = 0.10, p < .05) konnte bei der positiven Emotion Freude nachgewiesen werden (Meyer & Gläser-Zikuda, under review). Im Vortrag werden zentrale Ergebnisse vorgestellt und diskutiert sowie mögliche pädagogische Implikationen in Bezug auf die Gestaltung von Lehr-Lernarrangements im Kontext von Transition adressiert.
Schlüsselwörter: Lern- und Leistungsemotion, Übertritt, Transition, Sekundarstufe, Mehrebenenanalyse
*Dieser Beitrag wurde im Rahmen des digitalen Jahres der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (digiGEBF21) eingereicht und ist bis zum 31.12.2022 an dieser Stelle verfügbar. Alle Rechte liegen bei den Verfasser*innen.