Chemiebezogene Kompetenzen am Übergang vom Sachunterricht zum Chemieunterricht*

Autor*innen: Alina Behrendt, Vanessa Fischer & Maik Walpuski

Abstract

Während chemische Inhalte in der Grundschule in den Sachunterricht integriert werden, sind sie in der Sekundarstufe I im Chemieunterricht oder im integrierten naturwissenschaftlichen Unterricht zu finden (Möller, 2014). Der Fachunterricht Chemie setzt in Nordrhein-Westfalen meist in der Jahrgangsstufe 7 ein. Der Sachunterricht endet bereits zum Ende der Grundschulzeit in der Jahrgangsstufe 4. Folglich umfasst der Übergang vom Sachunterricht zum Chemieunterricht einen Zeitraum von zwei Jahren, in dem chemische Inhalte entweder gar nicht oder nur eingeschränkt in einem integrierten naturwissenschaftlichen Unterricht thematisiert werden (MSW NRW, 2013). Nicht nur innerhalb eines Faches, sondern auch über die Fächergrenzen hinweg sollte kumulatives Lernen angestrebt werden. Dabei sollten neue Inhalte effizient in das bestehende Wissensnetz der Lernenden integriert werden (Fischer et al., 2007). Durch aneinander anknüpfende Kompetenzformulierungen in den Lehrplänen der Fächer Sachunterricht und Chemie in Nordrhein-Westfalen (MSW NRW, 2013; 2008) werden solche kumulativen Lernprozesse angeregt. Verschiedene Schulleistungsstudien zeigen jedoch, dass eine kontinuierliche Weiterentwicklung naturwissenschaftlicher und damit auch chemiebezogener Kompetenzen nicht immer zu gelingen scheint. Während in TIMSS 2011 78 % der deutschen Viertklässlerinnen und Viertklässler ein mittleres bis hohes Kompetenzniveau in den Naturwissenschaften erreichten (Bos et al., 2012), befanden sich in PISA 2015 nur 60,3 % der deutschen 15-Jährigen auf einem vergleichbar hohen Kompetenzniveau (OECD, 2016). Bezogen auf das Fach Chemie ist bisher wenig darüber bekannt, welche Kompetenzen die Schülerinnen und Schüler in der Grundschule bereits erwerben und wie sich diese während der Übergangsphase verändern. Um dies zu untersuchen, wurde ein Testinstrument entwickelt und validiert. In der dafür durchgeführten Pilotstudie wurde der folgenden Forschungsfrage nachgegangen: Lassen sich die chemiebezogenen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler mit dem entwickelten Testinstrument objektiv, reliabel und valide erfassen? Im Rahmen der Pilotstudie wurde das Testinstrument im Mai 2019 in Grundschulen und Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen eingesetzt. Die Stichprobe umfasste 760 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 4 bis 8. Die Testungen wurden durch geschulte Testleiterinnen und Testleiter durchgeführt. Bei dem Testinstrument handelt es sich um einen Paper-Pencil-Test mit Multiple-Choice-Aufgaben. Für jede Aufgabe liegen sechs Antwortmöglichkeiten vor. Für jede Antwortmöglichkeit müssen die Schülerinnen und Schüler entscheiden, ob es sich um eine richtige oder falsche Antwort handelt oder ob sie sich diesbezüglich unsicher sind. Der Test enthält Aufgaben zu den vier Kompetenzbereichen der Kernlehrpläne Chemie für die Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen. Dabei handelt es sich um die Kompetenzbereiche Fachwissen, Erkenntnisgewinnung, Kommunikation und Bewertung (MSW NRW, 2013). Der Kompetenzbereich Fachwissen lässt sich durch drei Basiskonzepte strukturieren. Die drei anderen Kompetenzbereiche lassen sich unter dem Begriff prozessbezogene Kompetenzen zusammenfassen. Für jeden dieser drei Kompetenzbereiche und für jedes der drei Basiskonzepte wurden acht Aufgaben entwickelt. Aus den insgesamt 48 Aufgaben wurden drei Testhefte erstellt, die durch ein Incomplete-Block-Design miteinander verknüpft sind. Zur Erhöhung der Validität des Testinstruments wurden alle Aufgaben durch sieben Rater den verschiedenen Kompetenzbereichen zugeordnet. Es ergab sich eine Interraterreliabilität von κFleiss = .78. Die Auswertung der Pilotstudie erfolgte mithilfe von IRT-Analysen. Es wurde ein Partial-Credit-Modell verwendet, bei dem pro Aufgabe 0 bis 6 Punkte vergeben wurden. Dabei wurden Personenfähigkeiten und Itemkennwerte für ein eindimensionales und für ein zweidimensionales Modell mit den Dimensionen Fachwissen (FW) und prozessbezogene Kompetenzen (PK) geschätzt. In einer Dimensionsanalyse wurden beide Modelle miteinander verglichen. Dabei zeigte sich, dass das zweidimensionale Modell zu bevorzugen ist. Für beide Dimensionen liegen zufriedenstellende EAP-Reliabilitäten (EAP-ReliabilitätFW = .761; EAP-ReliabilitätPK = .824) und Infit-Werte (0.754 < InfitFW < 1.266; 0.604 < InfitPK < 1.308) vor. Die Varianz (VarianzFW = 0.170; VarianzPK = 0.204) und die Itemtrennschärfen ( 0.591 < TrennschärfeFW < 0.455; 0.562 < TrennschärfePK < 0.535) fallen hingegen gering aus. Auf Grundlage dieser Ergebnisse wurde das Testinstrument überarbeitet. Im Rahmen der Tagung werden erste Aussagen zur Verbesserung der Kennwerte und zum Vergleich der Jahrgangsstufen getätigt.

*Dieses Poster wurde im Rahmen des digitalen Jahres der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (digiGEBF21) eingereicht und ist bis zum 31.12.2022 an dieser Stelle verfügbar. Alle Rechte liegen bei den Verfasser*innen.