Anforderungen an das Data Sharing. Am Beispiel der multimethodischen Hochschul- und Wissenschaftsforschung*

 

Autor*innen: Percy Scheller und Dİlek İkİz-Akıncı

 

Abstract

Sowohl die Hochschul- als auch Wissenschaftsforschung als Teile der Bildungsforschung sind stark empirisch ausgerichtete Forschungsfelder, in denen Forschungsdaten eine wesentliche Grundlage für das wissenschaftliche Arbeiten darstellen. Die Multidisziplinarität dieser Forschungsfelder hat Einfluss auf das Spektrum der verwendeten Me-thoden und Datentypen. Die Bandbreite bewegt sich zwischen Sur-veyforschung, Bibliometrie, Dokumentenanalysen, Interviewforschung und ethnografischen Studien. Die untersuchten Daten können entweder selbst erhoben werden, sog. „Primärdaten“ sein, oder es werden „Sekundärdaten“, die in einem anderen (Forschungs-)Kontext erhoben wurden, für die eigene Forschung nachgenutzt. Die Praxis des Teilens und Nachnutzens von Daten fassen wir unter dem Begriff Data Sharing zusammen. Mit dem Data Sharing gehen besondere und zumeist auch zusätzliche Anforderungen an das Forschungsdatenmanagement (FDM) einher, womit alle Aktivitäten, die mit der Aufbereitung, Spei-cherung, Archivierung und Veröffentlichung von Forschungsdaten ver-bunden sind, gemeint sind. Je nach methodischem Zugang und Daten-typ unterscheiden sich die technischen, dokumentarischen, urheber-rechtlichen oder datenschutzrechtlichen Anforderungen des Data Sha-ring teilweise sehr stark.

Zwar gehört es mittlerweile zur guten wissenschaftlichen Praxis, eine „phasenübergreifende Qualitätssicherung“ (DFG-Leitlinie 7) in der For-schung u.a. durch die Dokumentation (DFG-Leitlinie 12) aller Informa-tionen zur Nachvollziehbarkeit des Zustandekommens von For-schungsergebnissen zu gewährleisten, oder bspw. eine Informierte Einwilligung einzusetzen, aber wie es um ein nachhaltiges FDM, das die Basis eines qualitätsvollen Data Sharings bildet, in der multimetho-dischen Hochschul- und Wissenschaftsforschung konkret bestellt ist, ist eine offene Frage. Eine Theorie des Data Sharings und der damit verbundenen Anforderungen liegt bislang nicht vor, daher bedarf der Gegenstand der empirischen Exploration.

Analysen von Expert:inneninterviews mit Forschenden der Bildungs-forschung sowie Mitarbeiter:innen in Infrastruktureinrichtungen mit Expertisen zu verschiedenen Typen von Forschungsdaten zeigen als grundlegende Anforderung für eine nachhaltige (Nach )Nutzung von Daten das projektbegleitende FDM auf. Als eine der größten Heraus-forderungen beim nachhaltigen Management von Forschungsdaten wird u.a. die fehlende Sensibilität für FDM beschrieben. Dies zeige sich schon in der geringen Berücksichtigung der Themen zu FDM in der hochschulischen Curricula und methodischen Lehrbüchern. In For-schungskontexten führe das Zusammentreffen von funktioneller Nicht-Zuständigkeit, Wissenslücken oder Desinteresse gegenüber nachhal-tigem FDM zu dessen Vernachlässigung. FDM werde im Forschungs-ablauf als unangenehmes Randthema abgetan. Datenmanagement-pläne zum Beispiel, die als strukturierende Dokumente u.a. den Um-gang mit den Daten abbilden und die Qualität im Forschungsprozess sichern sollen, werden von Forschenden eher als Belastung wahrge-nommen. Wenige empfinden sie als Möglichkeit, den Umgang mit den zu erhebenden Daten schon bei Projektbeantragung zu reflektieren. Das Selbstbewusstsein, diese auch als Medium zur Präsentation der eigenen guten wissenschaftlichen Praxis zu verwenden, fehlt zumeist.

Als ein weiteres Ergebnis wird die Anforderung einer ausreichenden Dokumentation bzw. Kontextualisierung des Datenmaterials hervorge-hoben. Je nach Datentyp, ob es sich bspw. um textuelle oder zumeist selbstevidente audiovisuelle Daten handelt, werden unterschiedliche Dokumentations- bzw. Kontextualisierungstiefen diskutiert, womit auch Aufwände der Datenaufbereitung stark differieren können. Urheber-rechtliche und datenschutzrechtliche Anforderungen unterscheiden sich nach methodischem Zugang auch stark. Während bei einem Survey die Bestimmung von Skalenrechten oder Instrumenten eine Her-ausforderung darstellen kann, gilt es bei Interviewstudien sensible und personenbezogene Informationen der Untersuchten zu schützen.

Daher werden allgemeingültige, methoden- bzw. datentypenübergrei-fende Standards über alle Interviews hinweg als zu striktes Korsett oder als Störfaktor im primären Forschungskontext verworfen. Insbesondere Forschende der qualitativen Sozialforschung diskutieren standardisierte FDM-Maßnahmen kritisch als Einschränkungen ihres offenen und zirkulär ausgerichteten Forschungsablaufes. Die mit FDM einhergehenden Aufwände werden als unnötige Mehrbelastung, die auf Kosten der Analyse- und Publikationszeit der Primärforschung be-schrieben. Daran anschließend wird als eines der zentralen Ak-teur:innen des Data Sharings die Forschungsförderung adressiert: neben einer ausreichenden Finanzierung aller FDM-Tätigkeiten, die mit dem Data Sharing „on top“ zum primären Forschungsanliegen ein-hergehen (z.B. Anonymisierungs- und Dokumentationsaufwand), wer-den einzelprojektspezifische Vorgaben als Anforderung formuliert, an-gepasst an den methodische Zugang, den Datentyp und Sensibilität des Datenmaterials. Die finale Entscheidungshoheit, ob Daten zur Nachnutzung bereitgestellt werden, solle bei den primär erhebenden Forschenden verbleiben, die ihre Daten nach forschungsethischen und datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten am besten bewerten könnten.

Ziel des Vortrages wird es sein, Einblicke in die Anforderungen des Data Sharing zu geben und hierbei methodische Besonderheiten und Datentypenspezifika aufzuzeigen.

 

*Dieser Beitrag wurde im Rahmen des digitalen Jahres der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (digiGEBF21) eingereicht und ist bis zum 31.12.2022 an dieser Stelle verfügbar. Alle Rechte liegen bei den Verfasser*innen.